Vielleicht spielt das alles in Gießen, trist genug sieht es dafür 
auf dem ersten Bild von Andreas Eikenroths Comic „Die Schönheit des 
Scheiterns“ jedenfalls aus. Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Ich 
habe nichts gegen Gießen, einige meiner besten Freunde sind Gießener. 
Aber schön ist die Stadt nicht. Sie sieht eben aus wie dieses erste 
Panel, das mir, je länger ich darauf schaue, immer vertrauter vorkommt. 
Und Andreas Eikenroth wohnt in Gießen.
Aber es ist egal, wo der Comic spielt. Wichtig ist, dass es eine 
halbwegs große und halbwegs unattraktive deutsche Stadt ist, in der man 
sich nicht in allzu viele Vergnügungen flüchten kann. Darunter leidet 
 Paul. Paul ist der Held dieses Comics: Tagsüber malocht er an der 
Kreissäge, abends sing er in einer Band und trifft sich mit Freunden, 
unter denen er mit proletarischen Ansichten zu Lebenskunst und 
wirklicher  Kunst aneckt. Zumal einer der besten Freunde 
erfolgloser Schriftsteller ist und eine hübsche junge Frau, die neu 
dazustößt, sich als Malerin erweist. Aber eine von denen, die ihre 
Arbeit theoretisch untermauern: „Frau Kunststudiergedöns“ eben, wie Paul
 das nennt.
Trotzdem verliebt sich der exzessive Trinker in die schöne Ästhetin, 
und, wie es die Phantasie von Autoren manchmal will, sie sich auch in 
ihn. Damit ist das Geschehen in Eikenroths Comic schon umrissen, aber es
 wäre ungerecht, sein Debüt als Erzähler der großen Form (zahlreiche 
kurze Comics erschienen in diversen deutschen Anthologien) darauf zu 
reduzieren. Denn was da im schwarzweißen Retro-Stil vorgeführt wird, 
verdient Aufmerksamkeit.
Das Vorbild von Eikenroth ist schnell benannt: Serge Clerc. Paul 
könnte direkt einem der vielen Comics des Franzosen entsprungen sein, 
die regelmäßig kleine gescheiterte Existenzen, die hoch hinaus wollen, 
zum Gegenstand haben. Und Eikenroths Strich hat dort auch seine Wurzeln (
http://www.edition52.de/files/Leseprobe_Die_Schoenheit_des_Scheiterns.pdf).
 Aber während Clerc das Leben seiner Protagonisten (und in dem 
fulminanten Band „Le Journal“ auch das eigene) heroisiert, bleibt 
Eikenroth beim Alltag.
Und das ist gut so, denn Eikenroth hat einen wunderbar ironischen 
Blick auf Männerbünde und Pseudointellektuelle, ohne sie einfach 
abzuwatschen. Mit Paul hat er einen Protagonisten, der nicht sofort 
sympathisch wird, aber im Laufe der Geschichte dann umso mehr. Auch 
formal hat der Band, was Seitenarchitektur und Bildersequenzen angeht, 
einiges zu bieten. Und selbst aus dem preiswerten Schwarzweiß macht 
Eikenroth durch Graustufen ein ansprechendes Gesamtbild. Ein Genrecomic 
(Romantic Comedy) aus Deutschland, der auch wirklich nur hier spielen 
kann – und eben egal, ob in Gießen oder sonstwo –, das ist eine 
angenehme Überraschung. Ja, ja, die Schönheit des Gelingens…